Julia Siebers Identität und Demenz - Wer bin ich?

Identität - Die Suche nach sich Selbst
Die Identität eines Menschen ist weit mehr als nur der Name, das Geschlecht, das Alter, die Nationalität, die soziale Herkunft, der berufliche oder soziale Status, die Gruppenzugehörigkeit oder persönliche Eigenschaften und Kompetenzen. Vielmehr ist die individuelle Identität eine biografische Entwicklung und eine stetige Auseinandersetzung der Selbst- und Fremdwahrnehmung mit der sozialen Umwelt. Unter wechselnden Lebensbedingungen wird die Identität immer wieder neu angepasst, was eine lebenslange Aufgabe für den Einzelnen darstellt. Die Identitätsentwicklung erfordert eine reflexive Betrachtung des eigenen Selbst in Verbindung mit der Rückmeldung der sozialen Umwelt.

„Weitere wichtige Herausforderungen für die Identitätsarbeit bestehen in der Notwendigkeit einer Ausbalancierung von Kontinuität und Veränderung der eigenen Person, in der Aufgabe, sowohl einzigartig als auch gleich wie andere sein zu sollen, und in dem Bedürfnis, sich in der Auseinandersetzung mit der Welt als handlungsmächtig zu erleben.“ (M. A. Wirtz, https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/identitaet)

Hirnschäden, wie sie bei einer Demenz auftreten, können den Menschen in eine schwere Identitätskrise stürzen. Neben kognitiven und emotionalen Symptomen können diese Veränderungen den an einer Demenz erkrankten Menschen zusätzlich verunsichern, beunruhigen oder ängstigen.

Was ist die Identität und warum ist sie wichtig für uns Menschen?
Laut Erik Erikson (Entwicklungspsychologe) ist die Identität ein Konstrukt, das das subjektive Vertrauen in die eigenen Kompetenzen zur Wahrung von Kontinuität und Kohärenz formuliert und von individuellen Bedürfnissen geleitet wird. Es beschreibt das Bild, das wir selbst von uns haben. Durch den Verlust kognitiver und sozialer Kompetenzen sowie die Einschränkung psychischer und alltagspraktischer Anpassungsleistungen, die körperliche Einbußen und die erzwungene Aufgabe von Rollen und Aktivitäten mit sich bringen, kann es zu Selbstwerteinbußen und Sinnverlust kommen. Auch die Rückmeldungen des sozialen Umfeldes können belastend und kränkend sein, wenn Diskrepanzen zwischen der Selbstwahrnehmung und den Verweisen der Angehörigen auf die Einschränkungen und Defizite entstehen. Diese Diskrepanzen können zu Konflikten und einer tiefgreifenden Verunsicherung der Identität führen.

Diese Identitätskrise kann zu psychischen und physischen Auffälligkeiten wie Unwohlsein, Unzufriedenheit, Schlafstörungen, Verdauungsproblemen, Gleichgewichtsstörungen, Müdigkeit, Lethargie, Stress sowie depressiven und pessimistischen Verstimmungen führen. Neben den bereits erwähnten demenzbedingten Symptomen erkennen demenziell erkrankte Menschen ihre Freunde, Familienmitglieder oder Ehepartner teilweise oder vollständig nicht mehr. Sie stellen darüber hinaus ihre eigenen alltäglichen Entscheidungen und ihre Person infrage. Dies ist sehr belastend und verstärkt in der Regel Orientierungsstörungen und herausfordernde Verhaltensweisen.

Wie kann der Identitätskrise und dem Identitätsverlust von Menschen mit Demenz entgegengewirkt werden?
Indem wir ihnen das Gefühl von Identität durch Anerkennung und Zugehörigkeit vermitteln. Mithilfe von Lob und gutem Zuspruch kann das Gefühl der eigenen Kompetenzen verstärkt werden. Erinnerungsarbeit, das Schaffen von Erfolgserlebnissen und das Vermitteln von Sicherheit sind ebenfalls wichtige Maßnahmen, um dem Identitätsverlust entgegenzuwirken.

Haben Sie Fragen oder Anregungen zu diesem Beitrag? Dann kontaktieren Sie uns gern über diesen Link.