Demenz und Suizidgedanken

In Deutschland sterben jedes Jahr circa 9.000 Menschen durch Suizid. Die Dunkelziffer und insbesondere die Zahl der Suizidversuche sind deutlich höher. Beim Blick in die Statistik sind zwei Aspekte besonders auffällig: Zum einen sind Männer insgesamt wesentlich stärker gefährdet als Frauen. Zum anderen ist in Deutschland mit steigendem Lebensalter auch ein Anstieg der Suizidrate zu verzeichnen. Das bedeutet, dass ältere – vornehmlich männliche – Menschen häufiger Suizid begehen als jüngere.

Untersuchungen weisen darauf hin, dass eine Demenz in bestimmten Situationen das Risiko für einen Suizid erhöhen kann. Insbesondere die ärztliche Übermittlung der Diagnose einer Demenzform kann bei den Betroffenen zu einer ernsthaften existenziellen Krise führen. Demzufolge lässt sich vor allem in den ersten drei Monaten nach Diagnosestellung ein erhöhtes Suizidrisiko beobachten. Als ausschlaggebend für potentielle Suizidwünsche gelten diesbezüglich speziell die Unumkehrbarkeit und der Verlauf wie bei einer Alzheimer-Demenz, mit dem Verlust der eigenen Selbstständigkeit.

Das kann dazu führen, dass Betroffene den Suizid wählen möchten oder hierbei um Unterstützung bitten und sich gegebenenfalls auch an entsprechende Sterbehilfeorganisationen wenden.

Rechtliche Voraussetzung für die Suizidbegleitung ist die sogenannte „Freiverantwortlichkeit“ der Betroffenen. Laut Definition des Bundesverfassungsgerichts muss der oder die Betroffene also frei von einer psychischen Störung sein. Zudem muss der oder die Betroffene den Entschluss zum Suizid fest und dauerhaft gefasst haben. Die Betroffenen müssen auch ausreichend informiert sein und dürfen nicht unter Druck gehandelt haben.

Manche der Betroffenen befürchten, bei fortgeschrittener Demenz diese genannten rechtlichen Voraussetzungen nicht mehr zu erfüllen und dann keine eigene Wahl mehr zu haben. Diese Angst kann zu verfrühten und übereilten Handlungen führen. Betroffene blenden dabei oftmals aus, dass bei entsprechender Versorgung und Begleitung ihre Lebensqualität für lange Zeit weitgehend erhalten bleiben kann.

Zusammenfassend gilt: Je jünger die Betroffenen bei Diagnosestellung sind, desto höher ist das Suizidrisiko. Mehr Informationen dazu finden Sie in der Broschüre „Wenn das Altwerden zur Last wird“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Wichtig: Bestimmte Erkrankungen können das Risiko für einen Suizid ebenfalls erhöhen. Dazu gehören Suchterkrankungen, Psychosen, Persönlichkeitsstörungen oder auch Depressionen. Jedoch ist nicht jeder Mensch mit Suizidgedanken automatisch psychisch krank. Wenn auch die (primärdegenerativen) Demenzformen nicht geheilt werden können – Depressionen lassen sich behandeln. Von einer Demenz betroffene Menschen sind nicht selten auch depressiv oder erleben zumindest depressive Episoden. Bitte holen Sie sich Unterstützung, wenn Sie bei Ihrem Angehörigen mit Demenz eine Depression vermuten.
Nähere Informationen zum Themenbereich Depressionen finden Sie an dieser Stelle im Wegweiser Demenz:
Demenz und Depression


Warnsignale ernst nehmen
Es ist nach wie vor ein weit verbreiteter Irrtum, dass durch das Ansprechen des Themas Menschen in den Suizid getrieben oder überhaupt erst auf die Idee gebracht werden, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Nicht auf Warnsignale zu reagieren, birgt das größere Risiko.

Dies können Warnsignale sein:

  • Äußerungen von Lebensmüdigkeit oder Lebensüberdruss, auch Sätze wie „Das ist doch kein Leben so“, „Ich bin doch nur noch eine Belastung“ oder „Ich wäre lieber tot als …“
  • Rückzug, (scheinbar) fehlendes Interesse an gewohnten Aktivitäten sowie an sozialen Kontakten
  • Das Verschenken oder (mündliche) Vermachen von Besitz wie „Gehört bald alles dir“ oder auch „Du kümmerst dich doch gut ums Haus, ja?“
  • Eine plötzlich eingetretene Ruhe beziehungsweise eine unerwartete Art von Zufriedenheit nach großer Aufregung und wechselnden Aussagen zu Lebens- oder Todeswünschen, insbesondere wenn Betroffene sich hierzu auf kein Gespräch mehr einlassen
  • Verzicht auf Selbstversorgung und Selbstpflege können ebenfalls ernstzunehmende Hinweise sein
  • „Tunnelblick“ auf Defizite, Schwierigkeiten, Negatives


Weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite des Nationalen Suizidpräventionsprogramms und in der Broschüre des Zentrums für Qualität in der Pflege.

Weiterhin gilt zu beachten: Eine Demenz betrifft den Menschen als ganze Person und ist weit mehr als eine Gedächtnisstörung. Im Verlauf geht oft die verbale Äußerungsfähigkeit zurück. Der Rückzug von einstmals gern gemachten Aktivitäten gehört häufig ebenso dazu wie der Rückzug von sozialen Kontakten. Zusätzlich wächst mit fortschreitender Demenz der Unterstützungsbedarf, zum Beispiel bei der Körperpflege und Selbstversorgung. Für sich allein genommen muss das Verhalten also nicht zwingend ein Hinweis auf ein erhöhtes Suizidrisiko sein. Daher sind eine genaue Beobachtung, das Gespräch und die Begleitung Betroffener sehr wichtig. Vermeiden Sie bitte unbedingt, geäußerte Todeswünsche oder Suizidgedanken herunterzuspielen, zu verharmlosen oder rein pragmatische Maßnahmen zu ergreifen. Gesprächsempfehlungen finden Sie hier.


Unterstützung bieten, Hilfe holen
Es gibt mehrere Maßnahmen, die zur Suizidprävention im Alter beitragen können. Einige Beispiele sind:

  • Förderung der sozialen Unterstützung: Ältere Menschen, die sich isoliert und einsam fühlen, haben ein höheres Suizidrisiko. Daher kann es hilfreich sein, ihnen Möglichkeiten zur Teilhabe an sozialen Aktivitäten und zur Pflege von sozialen Beziehungen zu bieten. Das gilt auch für Menschen mit Demenz.
  • Depressionen und andere psychische Erkrankungen erhöhen das Suizidrisiko. Daher ist es wichtig, dass die Symptome frühzeitig erkannt und behandelt werden.
  • Verfügbarkeit von Hilfsangeboten: Beziehen Sie die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt und Pflegefachkräfte in Ihre Beobachtungen mit ein um weitere Maßnahmen und Angebote zu besprechen. Dies kann beispielsweise psychologische oder psychotherapeutische Unterstützung sein, oder die palliative Versorgung und Begleitung in der letzten Lebensphase des Menschen mit Demenz.
  • Das Entfernen von Gegenständen, die für eine Selbsttötung genutzt werden könnten, kann zur Prävention beitragen. Es bietet jedoch keine abschließende Sicherheit und ersetzt nicht das Gespräch mit den Betroffenen.


Hilfe bei Suizidgedanken
Wenn es Ihnen selbst nicht gut geht oder Sie daran denken, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Es gibt Hilfsangebote. Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222 erreichbar. Es gibt auch die Möglichkeit einer E-Mail-Beratung oder eines Hilfe-Chats. Weitere Informationen finden Sie bei der Telefonseelsorge.