Isabel Walter Einsatz tiergestützter Therapie bei Demenzpatienten anhand des Beispiels von Frau Rose

Frau Rose lebt in einer Wohngruppe eines Seniorenheimes. Sie ist 86 Jahre alt, hat eine leichte Demenz sowie eine Parkinsonsche Erkrankung, wodurch sie seit zehn Jahren an den Rollstuhl gebunden ist.
Frau Rose berichtet, dass sie früh Waise wurde und viele Jahre als Hauswirtschafterin in verschiedenen Ordenshäusern arbeitete, sie ist unverheiratet und hat keine Kinder.
Die Anbindung im Heim ist recht gut, sie erhält allerdings wenig Besuch. An Veranstaltungen auf der Station nimmt sie teil, lebt sonst jedoch eher zurückgezogen.
Bereits beim allerersten Treffen mit ihr findet sie einen guten Zugang zum Therapiehund Rudi. Sie freut sich sichtlich und genießt es, ihn immer wieder zu streicheln. Sie spricht mit dem Hund und nimmt direkten Kontakt auf.
Bei schönem Wetter motiviere ich sie, mit dem Rollstuhl und Hund ein bisschen an die frische Luft zu gehen. Sie willigt ein, obwohl sie sonst eher inaktiv ist.
Beim letzten Spaziergang genoss sie sichtlich das Draußensein. Sie verfolgte den Hund sehr genau, entschied, wann es Zeit war wieder eine Pause zu machen, dem Hund ein Leckerchen zu geben und an einer Bank zu verweilen. Sie nahm sogar Gespräche zu anderen Hundebesitzern auf, die wir trafen.
Frau Rose hat, sicher auch bedingt durch ihre Biographie und ihre Tätigkeit für andere Mitmenschen, ein großes Bedürfnis danach, Zuwendung und Fürsorge zu geben und für andere zu sorgen. Beim Zusammensein mit dem Hund zeigt sie viel Fürsorglichkeit, genießt das Streicheln des Hundes, liebt es sehr ihn zu füttern und ist um sein Wohlergehen bemüht.
Die Geduld des Hundes und seine Toleranz gegenüber unsanftem oder unsicherem Verhalten ist hier sicher vorteilhaft, ebenso seine Freude an menschlichen Kontakten und grundsätzliche Freundlichkeit Menschen gegenüber.
Der Einsatz eines Tieres / Hundes im stationären Bereich beispielsweise ein Besuchshund kann im Bereich der verschiedenen Leistungseinschränkungen von Demenzkranken förderlich sein.
Führend ist die Eigenschaft eines Hundes, sprachfrei zu kommunizieren und ein gutes Gespür für den emotionalen Zustand des Gegenübers zu entwickeln.
Mit zunehmendem Verlust von Sprache und Gedächtnis ist es für den Patienten entlastend, über andere Wege als die Sprache mit dem Hund kommunizieren zu können.
Hunde arbeiten ohne zu werten, für sie spielt es keine Rolle, welchen gesellschaftlichen Status das Gegenüber hat. Vielmehr sind sie empfänglich für emotionale Äußerungen, und zwar unabhängig von der sprachlichen Äußerung.
Ein weiterer Vorteil beim Einsatz eines Therapiehundes besteht in der Herstellung einer "Alltagssituation", in der der Patient mit dem Hund und für den Hund arbeitet, ohne ständig daran erinnert zu werden, dass er sich in einer therapeutischen Situation befindet.
Hierdurch wird die Mitarbeit des Patienten gestärkt und die Ergebnisse werden verbessert.
Im Spiel können die noch erhaltenen motorischen Fähigkeiten gefördert werden, sowohl die Grobmotorik als auch die Feinmotorik. Dies kann durch entsprechenden Aufbau der Übungen sowohl für mobile Patienten (Förderung der Gang und Standsicherheit, Motivation nach draußen zu gehen) als auch für immobile Patienten (Apportierspiele, Spiele im Sitzen mit Hilfsmitteln) erfolgen.
Die Bewohner werden in ihrer Kommunikation über den Hund gefördert, in dem sie gemeinsam mit dem Hund arbeiten, sich über ihn unterhalten und vielleicht auch aus Erinnerungen schöpfen. Der sonst sehr eingeschränkte Alltag gewinnt dadurch neue Inhalte, die zu einer Auseinandersetzung und Kommunikation führen.
Oftmals löst der vierbeinige Therapeut bei demenziell Erkrankten den Wunsch nach Fürsorge und Pflege aus, ein Bedürfnis, das tief im Gedächtnis verankert ist. Die Erfahrung, gebraucht zu werden, wichtig zu sein und eine sinnvolle Aufgabe zu haben, stärkt das Selbstwertgefühl der Betroffenen und ermuntert sie zur Aktivität. Damit kann er zum Anker werden in einer Welt, die immer fremder wird.
Der Hund kann (als Servicehund) zudem konkrete Aufgaben übernehmen: er bringt Gegenstände, hebt herunter gefallene Dinge auf oder holt Hilfe, wenn einer der Senioren Probleme hat. Auch dem Pflegepersonal und den Angehörigen öffnet er Türen.
Im Endstadium der Erkrankung, wenn Angehörige und Pflegende kaum noch Zugang zu dem Patienten finden, kann das Arbeiten mit einem Hund noch verbliebene, tief im Hirn verwurzelte emotionale Fähigkeiten ansprechen, er kann sprachfreikommunizieren, wirkt tröstend und stabilisierend. Durch den körperlichen Kontakt mit dem Tier kann der Muskeltonus reduziert werden, der Patient kann sich besser entspannen und in seiner Einsamkeit und Eingeschlossenheit getröstet werden.
Damit erfüllt der Hund die ganz ursprüngliche Sehnsucht nach Nähe, Wärme, Trost und Zärtlichkeit.