Jochen Gust Besser austauschen

Ein Phänomen mit dem all jene konfrontiert werden, die Menschen mit Demenz unterstützen und im Alltag versorgen: Betroffene räumen und wühlen nach Gegenständen, nach verlegten und scheinbar verlorenen Dingen. Im Extremfall kommt es auch zu Beschuldigungen und Konflikte die darin eskalieren: „Du hast mein Geld gestohlen!“.
Das Dinge verlegt werden oder verloren gehen, gehört aufgrund der nachlassenden kognitiven Fähigkeiten dazu. Viele Angehörige kennen die sich wiederholende Szenerie. Ein wichtiger Rat ist:
Finden Sie nicht für die Betroffenen. Helfen Sie beim Suchen des verlorenen Gegenstandes, aber lassen Sie den Betroffenen ihn selbst finden und platzieren sie diesen daher entsprechend. Hintergrund dieses Rates ist, nicht zusätzliches Misstrauen zu erzeugen. Es soll vermieden werden, dass der Eindruck entsteht man habe den Gegenstand wieder „herausgerückt“, weil der Betroffene das Verschwinden rechtzeitig bemerkt hat.
Haben Sie schon einmal einen wichtigen Schlüssel verlegt? Ihren Schlüsselbund verloren? Erinnern Sie sich, welche Gefühle das bei Ihnen ausgelöst hat. Keine angenehmen, vermutlich. Menschen mit Demenz geht es nicht anders. Egal ob Armbanduhr, Schmuck oder eben vor allen Dingen Gegenstände, die Erwachsene normalerweise parat haben wie Geldbeutel, Handtaschen, Schlüssel.
Die Erfahrung lehrt, dass es Vorteile hat, rechtzeitig Ersatz anzuschaffen. Solange es noch möglich ist - in Absprache mit Betroffenen. Ist der Punkt überschritten, empfiehlt es sich jedoch immer, den Betroffenen wichtige Gegenstände gegen Imitate auszutauschen, statt sie ersatzlos wegzunehmen aus der Sorge heraus, sie könnten verloren gehen.
Pflegefachpersonen kennen die Szenen in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen. Der Patient mit Demenz wird immer aufgebrachter, weil sein Ehering fehlt. In bester Absicht den Verlust zu vermeiden, hatten Angehörige ihn in Absprache mit dem Betroffenen vom Finger genommen, bevor es in die Einrichtung ging. In der darauffolgenden Nacht wacht der Betroffene auf, bemerkt den Verlust und beginnt das Zimmer zu durchwühlen. Er kann sich nicht daran erinnern, dass der Ring sicher verwahrt wird von den eigenen Angehörigen. Seit 40 Jahren trägt er diesen Ring. Und nun ist er weg. Die Reaktion ist entsprechend.
Manchmal führt dies dann zu einem Kreislauf aus Unruhe und sedierenden Medikamenten.
Um solche Szenen und Verläufe zu vermeiden, ist es daher klug, rechtzeitig Ersatz anzuschaffen. Das wertvolle Schmuckstück kann sicher verwahrt werden, während ein Ersatzring, der zumindest sehr ähnlich aussieht, beim Betroffenen belassen werden kann. Ähnliches gilt zum Beispiel für Schlüsselbünde. Wenn wir wissen wollen, ob wir unsere Schlüssel bei uns haben, tippen wir kurz auf die Hosen oder Jackentasche in der wir ihn normalerweise bei uns tragen. Wir überprüfen nicht regelmäßig, ob es auch wirklich unser Schlüsselbund mit unseren passenden Schlüsseln ist. Oft genug muss er nur da sein – das beruhigt uns bereits.
Austauschen, Kopien machen, Ersatz anschaffen – all das ist besser als die Wegnahme von für eine Person wichtigen Dingen und kann dazu beitragen, Unruhezustände und Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen.